Call for Papers: "Räume eigenen Rechts"
Es ist heute soziologischer wie kulturwissenschaftlicher common sense, nicht mehr von einer Einheitlichkeit und dauerhaften Stabilität moderner Rechtsordnungen auszugehen. Zu zahlreich sind die Hinweise darauf, dass – historisch gesehen – statt von einem strikten Nacheinander häufig von einem Nebeneinander von Herrschaftsverbänden inklusive eigener Normen, Regulationen und Gewaltmittel ausgegangen werden muss.
Für bestimmte Fälle, wie etwa die ‚Überlagerung’ von nationalem und transnationalem Recht oder für rechtspluralistische Konstellationen, wurde dies schon intensiv bearbeitet. Darüber hinaus existieren auch ‚informelle’ Fälle, in denen von mehr oder minder organisierten, nicht-staatlichen Akteuren Herrschaftsräume etabliert werden - oft über die Anwendung oder Androhung von Gewalt. Dabei stehen die verschiedenen Herrschaftsansprüche nicht selten in Konflikt miteinander, sind selbst umkämpft und müssen sich gegenüber staatlichen Ansprüchen behaupten. Häufig kommt es nicht einmal zur Ausbildung kohärenter und stabiler Rechtsräume, sondern nur zu punktuellen und temporären Durchsetzungen von ‚Strafen’ oder ‚Exempeln’ – etwa bei privaten Racheakten. Beispiele hierfür sind verschiedene Formen von Selbstjustiz und Vigilantismus, ‚Ehrenmorde’, mafiöse Organisationen, Rockerbanden, ‚national befreite Zonen’, schwarze Märkte etc.
Zur Erfassung und Analyse solcher ‚Räume eigenen Rechts’ bedarf es jedoch theoretisch präziser Begriffsapparate und empirisch gesättigter Studien. Wichtige Ressourcen liefern hier klassische (rechts)soziologische Ansätze. Theoriegeschichtlich kann bereits auf Eugen Ehrlichs Konzeption des „lebenden Rechts“ verwiesen werden, aber auch auf neuere Arbeiten von Donald Black u.a. Anliegen der Tagung soll es sein, solche und andere Möglichkeiten zu diskutieren und zugleich die Konsequenzen der beschriebenen Phänomene für eine evtl. zunehmende Fragilität und Heterogenität moderner Rechtsordnungen abzuwägen. Es sollen in dieser Weise theoretische Entwürfe wie Fallstudien präsentiert, diskutiert und eingeordnet werden.
Wichtige Fragestellungen sind dabei: Auf welchen Feldern und entlang welcher Themen werden eigene Herrschafts- und Rechtsräume verfochten? Welche Rolle spielt dabei Gewalt? Was für Verhältnisse von staatlichen und nicht-staatlichen Ansprüchen und Akteuren lassen sich beobachten? Gibt es ggfs. Allianzen? Wie werden nicht-staatliche Formen von Rechtssetzung und Bestrafung legitimiert bzw. delegitimiert? Was sind (mediale) Archetypen solcher Selbstermächtigung und welche Wirkung bzw. Rezeption erfahren sie aktuell?
Die Tagung richtet sich an Sozial-, Kultur- und Staatswissenschaftlerinnen gleichermaßen. Einen Abstract richten Sie bitte bis zum 30.11.2012 an die Organisatoren. Die Tagung wird am 22./23.02.2013 am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig stattfinden.
Kontakt:
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Dr. Thomas Schmidt-Lux Universität Leipzig Institut für Kulturwissenschaften Beethovenstraße 15 04107 Leipzig |
Prof. Dr. Thomas Scheffer Goethe-Universität Frankfurt a. M. Gesellschaftswissenschaften Robert-Mayer-Straße 5 |
